Gilles Marchand

Ein Dienstagnachmittag in Bellinzona

Leider ist dies der gängige Lauf für Unternehmen, die ihre Einnahmen wegbrechen sehen und Massnahmen ergreifen müssen, um zu sparen und sich gleichzeitig neu zu erfinden.

Diesmal trifft es die SRG. Und alles, was die SRG betrifft, erhält in der Öffentlichkeit die ungeteilte Aufmerksamkeit. Zum einen, weil die SRG fast 5500 Arbeitsplätze hat, darunter etliche für Journalist*innen. Zum anderen, weil viele Stakeholder den Service public begleiten, sowohl auf kultureller als auf politischer Ebene.

Nicht zuletzt aber auch, weil die SRG im Prinzip ja dem Publikum gehört und jede Entscheidung, die sie fällt, in allen Schweizer Haushalten kommentiert und unterschiedlich (gut) aufgenommen wird.

Solche Ankündigungen zu machen ist immer eine komplexe Übung, die allen Flexibilität und Konzentration abverlangt. Natürlich muss man die Dinge beim Namen nennen und transparent kommunizieren, intern wie extern (und unser Unternehmen ist ein Glashaus). Man muss erklären und beruhigen, darf die Stakeholder nicht übergehen und muss den eigenen Mitarbeitenden, die ja auch Journalist*innen und damit doppelt betroffen sind, Rede und Antwort stehen. Und das natürlich in drei oder gar vier Sprachen, in Sprachen, in denen nicht immer alles gleich gesagt, nicht immer alles gleich gedacht wird.

An diesem Nachmittag in Bellinzona hat die Flexibilität ihren Höhepunkt erreicht.

Es ist 14 Uhr. Die interne Kommunikation an die 7000 Mitarbeitenden geht raus, dreisprachig. Eine halbe Stunde später wird die Medienmitteilung publiziert, auch sie in drei Sprachen.

Die Nachricht wird sofort von Online-Medien aufgenommen. 14.40 Uhr: Interview mit dem «Corriere del Ticino», einer grossen Regionalzeitung. 15.30 Uhr: Treffen mit einer RSI-Journalistin und ihrem Kameramann für einen Beitrag im «Telegiornale». Die Fragen wurden mit dem Westschweizer «19h30» abgesprochen, das für die Abendsendung auch die Bilder von RSI übernehmen wird. Das Interview wird auf Französisch geführt und für RSI auf Italienisch synchronisiert. 15.45 Uhr: Anruf von der «Tagesschau». Auch SRF stellt eine ganze Reihe von Fragen, diesmal auf Deutsch und per iPhone, das die RSI-Journalistin hält. Auch die Antworten kommen auf Deutsch. Gefilmt wird das Ganze vom Kameramann vom «Telegiornale». 16.05 Uhr: Telefoninterview mit der RTS-Sendung «Forum» für die Sechs-Uhr-Ausgabe. Weil es für eine Direktübertragung zur Sendezeit nicht reicht, wird der Austausch aufgezeichnet.

Fazit der Szene? Eine Mitteilung, ein Kameramann, eine Journalistin vor Ort, zwei weitere am Telefon ergeben eine maximale Abdeckung und das mehrsprachig.

So sieht das Leben der SRG in der neuen medialen Gesellschaft aus!

Gilles Marchand, aus Bellinzona

 

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