Gilles Marchand

Ein Plädoyer für alle Medien – ohne Ausnahme!

In der grossen digitalen Wäschetrommel werden die Medien arg durchgeschüttelt. Tamedia will in der Westschweiz vier Millionen Franken einsparen – unter anderem mit 24 Entlassungen. Bei RTS wurden zu Jahresbeginn 75 Stellen gestrichen, das Budget wurde um 11 Millionen Franken gekürzt. Und auch bei Ringier Romandie macht sich Unruhe breit. Eine schlechte Nachricht jagt die andere. Inmitten dieses Furcht einflössenden Umfelds führt unser Parlament eine Debatte über den audiovisuellen Service public und dessen Finanzierung.

Geschäftsmodelle dürfen selbstverständlich hinterfragt werden. Aber wer Geschäftsmodelle für den Service public zur Diskussion stellt, stellt auch die Zukunft des «Téléjournal» in der Westschweiz, der Sportübertragungen, des Schweizer Films, der Magazinsendungen und der lokalen Musik- und Kulturproduktion infrage. Welchen Platz werden diese Sendungen in der Zukunft noch haben? Wie werden wir in Zukunft informiert? Wer soll die – für unsere Gesellschaft so dringend notwendigen – Diskussionen leiten? Wer sorgt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz? Wer macht unsere Identität weiterhin zum Thema? Diese Fragen stellen sich nicht nur RTS, sondern allen Medien – auch den Zeitungen.

Fragmentierung der Gesellschaft und Vermischung der Genres

Wer sich diesen Herausforderung stellen will, muss zwei Umwälzungen in seine Überlegungen einbeziehen: Einerseits die an allen Fronten um sich greifende Digitalisierung, die in einer immer mobileren Bevölkerung dazu führt, dass die Gesellschaft zersplittert. Es entstehen zahlreiche kleine Gemeinschaften rund um ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Kultur, einen gemeinsamen Glauben oder verschiedene Konsumarten. Diese Fragmentierung führt dazu, dass sich das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem übergeordneten Ganzen verflüchtigt. Für die multikulturelle und mehrsprachige Schweiz dürfte dieser Trend gravierende Auswirkungen haben. Daher ist die Fähigkeit, Bindungen zu schaffen und Gemeinsamkeiten zu formulieren heute, morgen und übermorgen eine der grossen Herausforderungen für die Medien.

Parallel zu diesem Trend befinden sich die Geschäftsmodelle der Medien in einem massiven Umbruch. Die Verlagerung der Werbung und ihrer Mittel ins Internet und die immer individuellere Gestaltung der Kontakte zwingen die Medienhäuser, neue Produkte zu entwickeln, bei denen Informationen und Hintergrundberichte um weitere Leistungen ergänzt werden. Konkret bedeutet dies, dass die neuen Kommunikationsmittel die Grenzen zwischen journalistischen und kommerziellen Inhalten immer mehr verwischen. Zudem dürften unsere Bürgerschaft und unsere Demokratie in Gefahr geraten, wenn die Jugendlichen diese Auflösung der Grenzen immer mehr als gegeben hinnehmen.

Zur Einigung verdammt

Was ist also zu tun? Als Erstes sollte man einsehen, dass die Schweizer Medien dazu verdammt sind, miteinander auszukommen. Mit fruchtlosen Streitereien lassen sich diese Herausforderungen nicht meistern. Kooperation ist die einzige Lösung, die den Schweizer Kulturträgern ein Überleben sichern kann, angesichts der Übermacht der globalen Medienriesen. Wir müssen uns also umgehend auf unsere urschweizerischen partnerschaftlichen Wurzeln besinnen. Als Zweites sollte man anerkennen, dass die Printmedien mit einem Strukturproblem kämpfen und dieses lösen. Wir sollten uns mit Fördermechanismen befassen, beispielsweise im Vertrieb oder in der Berufsbildung. Zudem ist es höchste Zeit, dass alle Instanzen die Nutzlosigkeit einer Zerschlagung der SRG einsehen. Den Zeitungen würde diese nichts nützen, da nicht die SRG die Schuld am Einbruch ihrer Werbeeinnahmen trägt, sondern die Verlagerung der Werbung ins Internet und in die Werbefenster der grossen kommerziellen Sender aus Frankreich oder Deutschland. Drittens müssen wir die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und den privaten Akteuren ausbauen und verstärken. So wäre denkbar, dass der Service public seine Nachrichteninhalte zur Verfügung stellt, sofern dies urheber- und senderechtlich möglich ist. Technologische, mit Gebühreneinnahmen finanzierte Entwicklungen lassen sich ebenfalls gemeinsam nutzen. Und bei Programm, Werbung und Vermarktung bestehen zahlreiche Möglichkeiten für Partnerschaften, die sich für beide Seiten auszahlen.

In dieser neuen digitalisierten Welt müssen wir unsere Kräfte bündeln. Denn ohne Zeitungen, ohne Fernseh- und Radioprogramme kann unsere französischsprachige Region nicht funktionieren – weder in politischer noch in kultureller oder wirtschaftlicher Hinsicht.

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