Eine «Lex Spotify» für die Schweiz?
Die Musik vereint uns. Darüber sind wir uns hierzulande alle einig. Sie schafft es, Sprachgrenzen zu überwinden, starre soziodemografische Strukturen aufzubrechen und sich gekonnt durch unsere kulturelle Verschiedenheit zu schlängeln. Gemeinsam mit dem Sport ist sie eine der wenigen wertvollen Disziplinen, denen das gelingt.
Die Musik ist in der Schweiz allgegenwärtig. Wir sind ein Land der Musik, ein Land von Musikerinnen und Musikern. Fast 20 Prozent von uns singen, 17 Prozent spielen ein Instrument und zweifelsohne kommen fast 100 Prozent von uns mit Schweizer Musik in Berührung.
Die Programme der SRG sind an dieser erfreulichen Tatsache nicht ganz unschuldig.
2023: rund 680‘000 Schweizer Titel auf den Sendern der SRG
Im vergangenen Jahr hat die SRG knapp 680‘000 Schweizer Titel ausgestrahlt. Das ergab 42‘500 Stunden Sendezeit im regulären Radioprogramm und gegen 1000 Stunden Liveaufzeichnungen, die über die Sender gingen.
Die SRG strahlt Schweizer Musik nicht nur aus, sie nimmt sie auch auf. Letztes Jahr kamen etwas mehr als 600 Audio- und Videoaufnahmen von Konzerten und Showcases aller Musikrichtungen zusammen. Damit leistet die SRG einen wichtigen Beitrag zu einer lebendigen Schweizer Musikszene.
Der ESC: Spiegel für die guten, manchmal aber auch die schlechten Seiten unserer Welt
Wenn es um die verbindende Funktion der Schweizer Musik geht, drängen sich naturgemäss die nationalen Projekte der SRG auf.
Angefangen beim «Schweizer Musiktag», an dem alle Radiosender der SRG während 24 Stunden ausschliesslich Schweizer Titel spielen.
Weiter haben die Schweiz und die SRG dank des fulminanten Siegs des Bieler Talents Nemo beim Eurovision Song Contest nun die Ehre, die grösste Musikshow der Welt in Basel auszurichten und hiesigen Künstlerinnen und Künstlern im Umfeld des Wettbewerbs eine Plattform zu bieten.
Jedoch kann sich der Contest aufgrund seiner Tragweite internationalen Spannungen nicht entziehen. Die Musik ist nicht vom Weltgeschehen abgekapselt. Im Gegenteil: Sie ist ein Spiegel davon. Oft zeigt sie die guten Seiten unserer Welt auf, manchmal aber leider auch die schlechten.
Zu oben erwähnten Projekten zählen auch unsere nationalen Plattformen. Hervorzuheben gilt es hier Mx3, das mit seinem 18. Geburtstag dieses Jahr volljährig wurde und eine wichtige Brücke zwischen Künstlerinnen und Künstlern und Programmgestaltenden bildet.
Auch Play Suisse soll hier löbliche Erwähnung finden. Im vergangenen Jahr machte dieser nationale Player über 100 Musikinhalte zugänglich, von Konzerten bis hin zu Dokumentationen. Rund 26‘000 Stunden Musik wurden 2023 über Play Suisse konsumiert.
Zu guter Letzt wäre da ein Aspekt, der manchmal ein wenig in Vergessenheit gerät: die Förderung der internationalen Reichweite unserer Künstlerinnen und Künstler. Über die Plattform «Music Exchange» der EBU konnte die SRG 2023 zur internationalen Ausstrahlung von 216 in der Schweiz aufgezeichneten Konzerten beitragen.
Die Vielfalt unserer Engagements entspricht der enormen Kreativität der Schweizer Musikszene.
Eine «Lex Spotify» in der Schweiz?
All dies erfordert aber auch entsprechende finanzielle Mittel. Wir alle wissen, dass das kreative Schaffen in der Schweiz nicht allein durch den Markt getragen werden kann. Es braucht das entschlossene Engagement eines öffentlichen Akteurs.
Die SRG zahlt jährlich fast 40 Millionen Franken Urheberrechtsvergütung an die Suisa und Swissperform. Dazu kommen rund 8 Millionen Franken für Produktion und Aufzeichnung sowie diverse Partnerschaften.
In diesem Zusammenhang würde es sich anbieten, das Zusammenspiel zwischen der Schweizer Musikbranche und den internationalen Streamingplattformen zu überdenken, wie dies in der Filmindustrie kürzlich mit der «Lex Netflix» geschehen ist. Es wäre es doch wert, diesen Plattformen vorzuschlagen, sich mit den Gewinnen, die sie in der Schweiz erwirtschaften, ein wenig an der Schweizer Musikproduktion zu beteiligen, nicht wahr?
Zumal in Zukunft eine weitere Frage angegangen werden muss: Was passiert, falls Radiosender anfangen, KI-generierte Musik zu spielen? Wie sind dann die Rechte geregelt und welche Auswirkungen kann das auf die Musikbranche haben?
Wie Sie sicher wissen, ist und bleibt die Finanzierung des medialen Service public umstritten. Da ist zum einen der Beschluss des Bundesrats zur Senkung der Medienabgabe, zum anderen aber auch die Halbierungsinitiative. Stellen Sie sich vor, welch katastrophale Auswirkungen diese Senkungen auf die Schweizer Musikszene hätten. Darum ist es umso wichtiger, dass wir diese ernsthaften Bedrohungen gemeinsam bekämpfen und gut erklären, was auf dem Spiel steht und was die Konsequenzen sind.
Das Radio und das subtile Gleichgewicht zwischen Live und Streaming
Einige Fragen bleiben in dieser Thematik noch offen.
In unserer neuen digitalen, hochvernetzten Gesellschaft ist Musik überall. Sie lässt sich nicht mehr in schwerfällige, einengende Programmraster zwängen.
Wie wird Musik entdeckbar gemacht und wie soll sie veröffentlicht werden? Diese Fragen sind nunmehr von zentraler Bedeutung. Bei der SRG wird dadurch natürlich das subtile Gleichgewicht zwischen Live- und Streaming-Angeboten zum Thema.
Das Radio umfasst neben Musik auch Gespräche und Moderationen (und genau hier scheint mir die Live-Dimension entscheidend), vorproduzierte Sendungen und Magazine sowie Podcasts.
Und hier liegt der Schlüssel, der grösste Mehrwert, den wir bieten können: Wir können menschliche Empfehlungen abgeben. Darin liegt zweifellos der Unterschied zu den digitalen Plattformen und damit die Legitimität unserer Angebote. KI und Algorithmen können etwas Entscheidendes nicht ersetzen: die Lust am Entdecken und Empfehlen von guter Musik.
Denn was den Menschen ausmacht, ist sein persönlicher Geschmack.
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