Gilles Marchand

Service public: zurück zur Gesellschaft

Wie lässt sich der Service public bewerten? Wie kann man überprüfen, ob er wirklich den Erwartungen der Gesellschaft entspricht? Anhand seiner Programme natürlich, aber nicht nur. Wichtig ist, welchen Beitrag er zum Medienökosystem seines Marktes leistet, ob er effizient ist und ob in die Kultur reinvestiert wird.

Die Bewertung des Service public

Überall in Europa spriessen verschiedene Untersuchungsmodelle aus dem Boden. Darüber freuen sich Beratungsunternehmen, Wissenschaftler und Universitäten, die gut davon leben. Das bekannteste Modell ist wahrscheinlich jenes der BBC, der «BBC Trust». Dieses Modell hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Das Messsystem ist so komplex, so umfassend, dass dafür beträchtliche Mittel erforderlich sind; in einigen Ländern vielleicht sogar mehr Mittel als die, die für die Produktion der analysierten Programme zur Verfügung gestellt werden können!

Man kann davon ausgehen, dass die Schweiz sich als pragmatisches Land einen Service public wünscht, der noch näher beim Publikum angesiedelt ist.

Die Dimensionen des Service public

Man kann ein einfaches Analysemodell mit sieben Dimensionen – den sieben grossen Beiträgen des Service public – vorschlagen, die gemessen werden müssen:

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Die sieben Komponenten dieses Modells ermöglichen eine feingliedrige Beobachtung des „Näherrückens ans Publikum“ des Service public, adaptiert auf die verschiedenen Schweizer Märkte und Kulturräume. Jede Dimension kann mithilfe verschiedener Indikatoren überwacht werden, die im gegenseitigen Einvernehmen vom Gesetzgeber und dem bzw. den Service-public-Unternehmen festgelegt werden. Keine der beobachteten Dimensionen darf ausschliesslich dem Service public vorbehalten sein, der dies im Übrigen auch nicht verlangt.

Jedoch muss der Service public für die beständige, harmonische Koexistenz dieser sieben grossen Beiträge sorgen.

Der Service public verdient eine ernhafte Grundsatzdebatte, die frei von Standesdenken und eigennützigen Versuchungen ist. Diese Debatte findet in einem widersprüchlichen Spannungsfeld statt: Einerseits werden Kontexte und Akteure immer wieder von heftigen Turbulenzen erschüttert. Andererseits gehorcht der Service public komplexen und verbindlichen professionellen Anforderungen, die sich nicht nach wirtschaftlichen Strömungen oder Modeerscheinungen richten können. Deshalb ist es sinnvoll, sich zunächst darüber zu einigen, welches die wichtigsten Verantwortungsbereiche des Service public sind, und dann über die Art und Weise, wie sie zu beobachten und zu messen sind.

Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, den Umfang des Schweizer Service public im Bereich der Programme, ihrer Verbreitung und ihrer Finanzierung zu untersuchen. Das lohnt sich auf jeden Fall, schliesslich ist er wirklich wichtig für die Schweiz, für ihren Zusammenhalt und für ihre Vielfalt!

 

book-07210776Artikel aus dem Buch „Médias publics et société numérique“, erschienen bei Editions Slatkine Genève 2016, Autoren: Patrick-Yves Badillo (Koord.), Dominique Bourgeois, Ingrid Deltenre, Gilles Marchand

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