Wir und die andern
Es ist immer interessant und inspirierend, die Geschichte der anderen zu verfolgen.
So auch diejenige unserer Mitstreiterin Yle, der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt Finnlands, die gerade ihr 100-jähriges Bestehen feiert.
Das tut sie nicht mit Häppchen und Champagner, sondern mit einer spannenden und umfassenden Analyse ihrer Geschichte, mit der sie Historikerinnen und Historiker der Universität Helsinki beauftragt hat.
Sie sollten die starke Bindung zwischen Finnland und seinem öffentlichen Radio und Fernsehen unter die Lupe nehmen.
Kurz nachdem Finnland als Folge der Anerkennung durch die bolschewistische Regierung im Jahr 1917 die Unabhängigkeit erlangt hatte, erlebte es einen blutigen Bürgerkrieg zwischen einer von Russland unterstützten «roten» Volksbewegung und dem von Deutschland unterstützten «weissen» Lager. Die «Weissen» gingen als Sieger aus dem Konflikt hervor, in der finnischen Gesellschaft blieben jedoch tiefe Wunden zurück. Lange Zeit blieb das Land im Einflussbereich der Sowjetunion, mit der es sich eine enorm lange Grenze teilte.
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in Finnland wie in vielen anderen europäischen Ländern Anfang der 1920er-Jahre der öffentliche Rundfunk. Er sollte noch eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Bande in einem zerrissenen Land wieder zu knüpfen. Und zwar, indem er vermittelte, was das Land einte. Später schlug das Fernsehen denselben Weg ein. Und gerade hat Yle einen ziemlich radikalen digitalen Wandel vollzogen, ohne aber dabei je ihre Daseinsberechtigung aus den Augen zu verlieren.
Noch heute ist das beliebteste Programm von Yle dasjenige zum Nationalfeiertag (!). Es zeigt ein wenig fesselndes Spektakel: Der Präsident muss stundenlang live die Vertreterinnen und Vertreter der finnischen Gesellschaft begrüssen.
Das öffentliche Radio und Fernsehen verkörpert das, was die Finninnen und Finnen gemeinsam haben – und das tut es, fast seit sie ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben.
Diese verbindende Funktion ist entscheidend in einer Zeit, in der sich alle öffentlichen Medien fragen, wie sie mit einem digitalen Umfeld umgehen sollen, das die Gesellschaft spaltet.
Trotz zunehmend diversifizierter Mediennutzung gilt es, weiterhin auf das zu setzen, was Gemeinschaft schafft.
Das ist keineswegs unvereinbar mit der Förderung der Vielfalt. Der finnische Service public, der online sendet und veröffentlicht, auch auf Schwedisch, zeigt es Tag für Tag.
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